Dieser Audiobeitrag wird von der Universität Erlangen-Nürnberg präsentiert.
Ich darf heute an erster Stelle zu Ihnen sprechen in der Reihe Neuer Entwicklungen in der Genetik und
ich freue mich sehr darüber. Als Vertreterin des Faches Politikwissenschaft und des Teilbereichs
Politische Philosophie und Theorie möchte ich Ihnen heute eine Debatte aus dem Umkreis
der Geistes- und sozialwissenschaftlichen Reflexion der modernen Lebenswissenschaften
vorstellen. Die Debatte über Genetic Enhancement, das heißt in der ersten Nährung über genetische
Verbesserungen von Menschen durch Eingriffe an der menschlichen Keimbahn. Aus dem bunten Spektrum der
gegenwärtig in der akademischen Bioethik und politischen Theorie vertretenen Positionen möchte
ich Ihnen zwei besonders markante und gegensätzliche Positionen vorstellen, um Ihnen damit Anlass zum
Nachdenken zu geben und um in die Richtung derjenigen Fragen anzudeuten, die wir uns als
Gesellschaft im Kontext der neuen Biotechniken stellen sollten. Mein Vortrag liegt die folgende
Gliederung zugrunde. In einem ersten Schritt möchte ich einige notwendige Definitionen und
Abgrenzungen geben. In einem zweiten Schritt möchte ich darauf eingehen, warum die bislang
eher hypothetisch geführte Debatte um Genetic Enhancement in Zeiten von CRISPR-Cas,
Brisanz und Aktualität erfährt. In einem dritten Schritt, meinem Hauptteil, möchte ich Ihnen die
Debatte selbst vorstellen anhand zweier prominenter Vertreter mit sehr gegensätzlichen Positionen,
Julian Savulescu und Jürgen Habermas. In einem vierten Schritt möchte ich Ihnen kurz vorstellen,
welches unsere Forschungsschwerpunkte am Lehrstuhl sind und an welchen Themen wir gerade arbeiten.
Zunächst einmal sollten wir klären, was mit Genetic Enhancement gemeint ist. Mit dem Vortragstitel
greife ich eine Bezeichnung auf, die im Kontext der angelsächischen Ethik verbreitet ist und sich
dort allgemein auf Techniken der genetischen Verbesserung bezieht. Eine direkte wörtliche
Übersetzung des Begriffes existiert nicht. Allgemein bedeutet der Begriff Enhancement,
Verbesserung, Erhöhung oder Steigerung. Bezogen auf die genetische Ausstattung des Menschen,
und nur um den humanen Bereich wird es mir im Folgenden gehen, bedeutet Genetic Enhancement
also Techniken der genetischen Verbesserung. Zwischen Genetic Enhancement und Gentherapie
wird unterschieden durch die mit dem jeweiligen Eingriff verfolgten Ziele. Geht es bei der
Gentherapie darum, einen bestimmten Normalzustand wiederherzustellen oder durch Prävention die
Ausbildung eines solchen zu ermöglichen, zielt das Genetic Enhancement auf eine Verbesserung über
den Normalzustand hinaus. Bei der Eingriffebene kann nochmals unterschieden werden zwischen einem
Eingriff in somatische Körperzellen und einem Eingriff in Keimbahnzellen. Der wesentliche
Unterschied ist, dass Eingriffe in letztere sich an Nachfolgegenerationen weiter vererben. Außerdem
muss unterschieden werden zwischen genetischen Eingriffen an einem bereits entwickelten menschlichen
Organismus und genetischen Eingriffen im Labor an Embryonen, die am Anfang ihrer Entwicklung zu
einem Menschen stehen und in ihrer Ausgangsdisposition verändert werden sollen. Nach
diesen notwendigen Abgrenzungen hier also die Arbeitsdefinition und der Genetic Enhancement
möchte ich also im Folgenden verstehen Eingriffe in das menschliche Genom eines noch in der
embryonalen Entwicklung befindlichen Menschen mit dem Zweck der dauerhaften und übergenerationellen
nicht therapeutischen Verbesserung des menschlichen Genoms. Ich komme zu meinem zweiten
Gliederungspunkt. Im Bereich der Genetik wurde in den letzten Jahren ein neues biotechnisches
Verfahren entdeckt und etabliert, das mit den Metaphern Genschere, biotechnischer Zauberstab
und Präzisionsinstrument belegt wurde. Üblich ist in diesem Zusammenhang auch der Begriff Genome
Editing. Der Begriff erinnert Editing an die redaktionelle Arbeit mit einem Text, in dem
manchmal auch fehlerhafte Buchstaben oder Wörter herausgeschnitten und andere eingefügt werden
müssen. Das neue biotechnische Verfahren, welches die natürlichen Abwehrsysteme von Bakterien gegen
DNA benutzt, um Erbgut zu verändern, wird Herr Enzer vom Lehrstuhl für klinische und molekulare
Virologie nächste Woche detailliert erläutern. Ich freue mich sehr darauf und möchte dem nicht
vorgreifen. Kann es auch nicht so gut. Für unseren Zusammenhang entscheidend ist, dass mit den
Genscheren, die Erbgut schneiden können, auch Eingriffe in das menschliche Erbgut technisch
einfacher geworden sind. Aktuell wird vor allem in China, den USA und England Genome Editing an
menschlichen Embryonen erforscht. So publizierten beispielsweise im April 2015 und April 2016
Presenters
Dr. Eva Odzuck
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:48:55 Min
Aufnahmedatum
2018-06-07
Hochgeladen am
2018-06-12 09:24:03
Sprache
de-DE
Der Vortrag zeichnet die in der Politischen Theorie geführte Debatte um Genetic Enhancement nach, die spätestens mit Jürgen Habermas’ Eintritt in die Debatte im Jahr 2001 den engeren akademischen Kreis verließ und auch die breitere Öffentlichkeit erreichte. Habermas kritisierte vehement die sogenannte „liberale Eugenik“, und plädierte für Vorsicht und Zurückhaltung, weitgehende genetische Veränderungen an zukünftigen Menschen vorzunehmen, was ihm den Ruf eines „Biokonservativen“ einbrachte. Der Vortrag stellt wichtige Positionen der Debatte vor, diskutiert diese kritisch und schließt mit eigenen Überlegungen zur politischen Dimension und Herausforderung der neuen technischen Möglichkeiten ab.